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Was ist politisch "rechts", was ist "links"?

Die Begriffe ″rechts″ und ″links″ gehen auf die französische Nationalversammlung zurück. Diese tagte von 1789 bis 1791. Rechts vom König saßen diejenigen, denen der König eher gewogen war. Auch interkulturell gesehen, ist die rechte Seite meistens die ″bessere″ beziehungsweise die bevorzugte Seite. Vielleicht hat das damit zu tun, dass die meisten Menschen Rechtshänder sind. Auf der rechten Seite saßen zum Beispiel die Monarchisten, also diejenigen, die alles beim alten belassen wollten. Man könnte auch sagen, die Konservativen. Die damaligen ″Rechten″ betonten die natürliche Ungleichheit der Menschen, die als Begründung für den damals existierenden Ständestaat herhalten musste. Auf der linken Seite saßen diejenigen, die die Verhältnisse ändern wollten, also die ″Progressiven″. Ganz links saßen die Jakobiner, die später, als sie an die Macht gelangten, exzessiv von der Guillotine Gebrauch machten. Die ″Linken″ propagierten die Gleichheit aller Menschen. Da die Menschen aber offensichtlich ungleich sind, also mit unterschiedlichen geistigen und körperlichen Fähigkeiten ausgestattet sind, behaupteten
die Linken, dass diese erscheinende Ungleichheit nicht naturbedingt sei, sondern durch gesellschaftliche Einflüsse verursacht würde. Je weiter links die jeweilige Fraktion saß,desto radikaler wurde der letztgenannte Punkt vertreten. Die Linkssitzenden hielten es auch eher mit Rousseau, der der Ansicht war, dass alle Menschen von Natur aus gut seien und sie nur durch gesellschaftliche Einflüsse schlecht würden. Die Rechtssitzenden waren eher vom Gegenteil überzeugt und waren mehr den Ansichten Thomas Hobbes zugeneigt. Dieser sagte – jetzt mal stark verkürzt ausgedrückt – dass die Menschen von Natur aus
schlecht wären und sie deswegen das Gewaltmonopol über einen Gesellschaftsvertrag an einen Souverän abtreten sollten. Dieser Souverän konnte nach Hobbes übrigens auch ein Parlament sein.
Wie ist nun meine eigene Meinung zu diesem Thema? Nun ich denke – sehr verkürzt ausgedrückt – dass die meisten Menschen von Natur aus gut sind, einige eher weniger gut und eine kleine Minderheit wirklich böse ist. Das Problem ist jedoch, dass die kleine Minderheit der bösen Menschen es ständig und immer wieder schafft, die Guten vor ihren Karren zu spannen, indem sie ihnen vorgaukelt das Gute zu wollen. Wie ich das genau meine und was man dagegen tun kann, habe ich in meinem Buch ″Die
Wurzeln des Politischen″ dargelegt.
Doch zurück zum Thema. Linke und rechte Weltanschauungen haben beide ihre Abgründe. Beginnen wir mit den Rechten. Im milden Fall wurde die behauptete natürliche Ungleichheit der Menschen als Begründung für den Ständestaat angeführt. Der Mensch wurde in einen bestimmten Stand hineingeboren und sollte dann das Beste daraus machen. Soziale Mobilität war zwar
möglich, aber eher die Ausnahme. Der Ständestaat scheint einen gewissen interkulturellen Hintergrund zu haben, man denke zum Beispiel nur an das indische Kastenwesen. In weniger milden Fällen, wurde eine natürliche Ungleichheit behauptet, um radikale
Ausbeutung oder sogar Vernichtung von Menschen zu rechtfertigen, weil diese eben minderwertig – also ungleich - seien und so weiter. Die Geschichte ist hinlänglich bekannt, ich muss das hier nicht weiter ausführen.
Nun zu den Linken. Die Menschen sind dem Augenschein nach offensichtlich ungleich, doch diese Ungleichheit soll gemäß linken Denkens nicht an ihnen selbst liegen, sondern den gesellschaftlichen Verhältnissen oder den Produktionsverhältnissen geschuldet sein. Eine moderne Variante besagt auch, dass die Wertschätzung, also ob eine Eigenschaft als positiv oder negativ zu bewerten ist, möglichst zu unterlassen ist. Wenn man das tut, sind auch alle gleich. Okay, das ist jetzt ein bisschen plakativ ausgedrückt, aber ich kann hier auch keine zu langen Vorträge halten. Damit greifen die radikalen Linken aber ein zentrales Element der westlichen Zivilisation an: Das Individuum. Karl Marx selbst wollte das gar nicht. Im Gegenteil, in seinem kommunistischen Utopia sollte sich das Individuum in gewisser Weise selbst verwirklichen: ″Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!″. Nur ist es leider immer anders gekommen. Das Heilsversprechen der frühen radikalen Linken kehrte sich in sein Gegenteil um, sobald diese das Sagen hatten. So erfanden die Jakobiner den großen Terror, den Josef Stalin, Pol Pot, Mao
Zedong und andere weiterführten. Wenn es auf den Einzelnen überhaupt nicht ankommt, weil seine individuellen Eigenschaften sowieso nicht seine eigenen sind, sondern bourgeoise Überreste sind, die es zu eliminieren gilt, dann ist es auch egal ob der
Einzelne im Sinne des Regimes schuldig ist oder nicht. So wurden Menschen massenweise, deportiert, inhaftiert, hingerichtet in Konzentrationslager gesperrt und so weiter. Man schätzt, dass im Namen des Kommunismus über 100 Millionen Menschen zu
Tode kamen und noch viel mehr unter sozialistischen oder kommunistischen Regimen unsäglich gelitten haben und auch heute noch leiden. Das ficht die radikalen Linken natürlich nicht an, es mangelt ihnen massiv an Selbstreflexion.
Doch wie kann man das Problem der Gleichheit oder Ungleichheit lösen? Die ″bürgerliche″ Antwort – zu der ich mich auch selbst bekenne – lautet: Formale Gleichheit. Das bedeutet zum Beispiel, dass vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind. So steht es auch im Grundgesetz Artikel 3. Formale Gleichheit bedeutet, dass für den Staat alle Menschen gleichviel wert sein sollen. Für den Einzelnen gilt das nicht, schließlich sind zum Beispiel nahe Angehörige oder enge Freunde dem Einzelnen emotional wertvoller als Fremde. Dasist nur menschlich. Doch auch die formale Gleichheit stößt in der Praxis an ihre Grenzen. Das erleben wir am Beispiel der Migrationskrise. Der universelle Anspruch der Gleichheit aller Menschen - und sei es auch nur die formale Gleichheit - funktioniert nur bei schönem Wetter. Sie deswegen aufzugeben – wie manche rechten Denker es verlangen - ist aber
auch keine gute Idee. Meiner Ansicht nach liegt die Lösung in der Kunst die Dinge politisch so zu gestalten, dass möglichst alle von der Ungleichheit profitieren. Also, gönnt den Reichen ihren Reichtum und schaut zu, dass die weiter unten auch nicht zu kurz kommen!

Dieser Text ist auch als Video verfügbar: https://youtu.be/3Md4ja6txhs

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